Gibt es ein Limit hinsichtlich der Proteinaufnahme, wenn man Muskeln aufbauen will?
Ein ungeschriebenes Gesetz im Bodybuilding besagt, dass man nicht weniger als 30 Gramm Protein pro Mahlzeit aufnehmen sollte. Diese Empfehlung basiert auf Forschungen, die den Gebrauch und die Absorption von Protein bei Kraftsportlern beobachtet haben. Trotzdem hört und liest man von Top Bodybuildern, die täglich 300 Gramm Protein oder mehr aufnehmen.
Die Experten empfehlen.
Viele Experten forcieren den Gedanken, dass eine hohe Proteinaufnahme problematisch oder sogar gefährlich für die Gesundheit sein kann. Sie warnen davor, dass Protein die Leber und Nieren strapaziert. Das scheint auf den ersten Blick auch zu stimmen, da Leber und Nieren die wichtigsten Organe für den Proteinstoffwechsel sind. Aber dennoch reichen normale Leber- und Nierenfunktionen mehr als genug aus, um die stickstoffbasierten Abfallprodukte, die letztlich aus einer großen Proteinaufnahme resultieren, zu bewältigen. Das gilt jedenfalls für Menschen, die völlig gesund sind.
Andere behaupten, dass zu viel Protein dick machen kann, da ein Gramm Protein vier Kalorien enthält. Und zu viele Kalorien, ganz gleich aus welcher Quelle sie stammen, könnten sich schließlich in Form von Körperfett bemerkbar machen. Aber auch das ist wieder ein typisches Beispiel für wissenschaftliche Unkenntnis, oder falsche Aussagen werden vielleicht nur kritiklos übernommen.
Bei sportlich aktiven Menschen wird überschüssiges Protein nicht gespeichert, sondern eher oxidiert, und zwar hauptsächlich in der Leber.
Erneut stellt sich die Frage: Gibt es wirklich eine Grenze hinsichtlich der Proteinaufnahme, wenn man Muskeln aufbauen will?
Obwohl die 30-Gramm-Regel schon seit Jahrzehnten kursiert, ist bis heute nicht klar, woher sie eigentlich stammt.
Und Studien scheinen zu bestätigen, dass es tatsächlich eine Grenze gibt, wie viel Protein man jeweils aufnehmen kann.
Maximale Proteinaufnahme in den Studien
Hier ein Beispiel: Nimmt man nur sechs Gramm essenzielle Aminosäuren auf, wird dadurch die Muskelproteinsynthese nach dem Gewichtstraining maximiert. Andere Studien grenzen den Proteinbedarf sogar noch mehr ein. So wird behauptet, dass nur eine einzige Aminosäure – Leucin – entscheidend für die effektive Muskelproteinsynthese nach dem Workout ist.
Eine weitere Theorie besagt, dass eine zu hohe Proteinaufnahme die Synthese eines der wichtigsten Blutproteine namens Albumin ankurbelt. Prinzipiell nimmt man an, dass Albumin als Speichermittel für Protein dient. Und es wird dann genutzt, wenn es für die Muskel- und Ganzkörperproteinsynthese benötigt wird. Aminosäuren, die zusammen mit Albumin gespeichert werden, sind vor Oxidation geschützt.
Bei einer neuen Studie mussten sich sechs gesunde Männer im Durchschnittsalter von 22 Jahren zu fünf verschiedenen Terminen in einem Labor melden, wo sie intensives Beintraining absolvierten.
Nach dem Training erhielten sie Getränke, die null, fünf, zehn, 20 oder 40 Gramm Volleipulver enthielten.
Die Forscher maßen die Protein Synthese und Oxidation über einen Zeitraum von vier Stunden nach dem Training – und zwar, indem sie den Verlauf des vorher markierten Leucins verfolgten.
Sowohl die Muskelprotein- als auch die Serumalbuminsynthese wurden maximal simuliert, als nach einer einzigen Trainingseinheit weniger als 20 Gramm Protein aufgenommen wurden. Die Aufnahme von viel mehr als 20 Gramm Protein resultierte in einer erhöhten Proteinoxidation, ohne zusätzlich gesteigerte Muskelproteinsynthese. Die 20 Gramm enthielten 8,6 Gramm essenzielle Aminosäuren.
Das entwicht etwa der gleichen Menge, die sich als effektiv erweist, um die Muskelproteinsynthese nach dem Gewichtstraining zu maximieren. Für die maximale Proteinsynthese i Ruhezustand sind nur zehn Gramm Protein pro Mahlzeit erforderlich.
Protein und Kohlenhydrate.
Zum Protein beigefügte Kohlenhydrate hätten wahrscheinlich eine stärkere Stimulation begünstigt, und zwar aufgrund der höheren Insulinausschüttung. Immerhin: Die trainingsbedingte Transportverbesserung essenzieller Aminosäuren in die Muskeln resultierte in einer erhöhten Muskelproteinsynthese nach dem Training.
Einige Sportler befürworten zwar die Einnahme von Aminosäure-Supplementen um die Muskelproteinsynthese zu entfachen. Doch in Wirklichkeit werden die Muskeln resistent gegenüber der Proteinsynthese, wenn sich ständig viele Aminosäuren im Blut befinden. Die überflüssigen Aminosäuren werden einfach oxidiert.
Laut den Autoren dieser Studie kann eine maximale Proteinsynthese mit 20 Gramm Protein pro Mahlzeit erreicht werden, wenn man täglich fünf bis sechs Mahlzeiten zu sich nimmt. Alles, was darüber hinausgeht, resultiert in der Oxidation von überflüssigem Protein, ohne dass sich die Rate der Muskelproteinsynthese dabei weiter erhöht.
Kurz gesagt: Das überflüssige Protein wird nur verschwendet.
Die Wissenschaftler warnen auch vor Folgendem: Nimmt man viel oder regelmäßig Protein auf, veranlasst das den Körper, weniger davon zu oxidieren. Das kann tatsächlich zu einem Proteinmangel führen obwohl ich bezweifle, ob das bei den meisten Bodybuildern überhaupt möglich ist. Fest steht jedoch, dass viele Bodybuilder wesentlich mehr Protein aufnehmen als nötig, um Muskeln aufzubauen. Wenn man von diesen 300-bis-600-Gramm-Mengen hört, die täglich eingenommen werden, so führt das vielleicht nicht zu gesundheitlichen Problemen. Aber dadurch wird auch nicht der Kraft- und Muskelaufbau forciert.
Neue Studien.
Einer der Autoren der neuen Studie, Dr. Stuart M. Philips, ist Dozent für Kinesiologie an der McMaster University in Hamilton, Ontario, Kanada.
Er hat viele Artikel über Sporternährung und Muskelphysiologie in zahlreichen Fachzeitschriften veröffentlicht. Philips sagt, die allgemein empfohlenen 1,7 Gramm Protein pro Kilo Körpergewicht basierten auf alten und ungenauen Untersuchungen der Stickstoffbilanz. Dagegen hat seine Studie die tatsächliche Muskelproteinsynthese gemessen. Und das ist eine weitaus zuverlässigere Methode, um den Proteinverbrauch im Verhältnis zum Training zu ermitteln.
Philips schreibt: „Unterm Strich weiß niemand, wie viel Protein man aufnehmen muss, um das Muskelwachstum zu maximieren. Basierend auf unserer Arbeit gehen wir jedoch davon aus, dass viel weniger benötigt wird, als man bislang angenomen hat. Das ergibt auch Sinn, da das Tempo des Muskelwachstums selbst bei den muskulösesten Bodybuildern so langsam ist, dass es nicht an einer wenn überhaupt größeren Proteinmenge liegen kann.“